Einer der wichtigsten Feiertage in Guatemala ist Allerheiligen, der „Dia de Todos los Santos“. An diesem Tag gedenken die Familien der Region jedes Jahr an die verstorbenen Verwandten und zwar auf sehr ungewöhnliche und kreative Art und Weise. Ganz anders als man es als Deutscher erwarten würde. Schwarze Kleidung bleibt im Schrank, stattdessen wird es kunterbunt. Stille Gebete werden erstmal aufgespart, stattdessen herrscht auf diesem Drachenfest in Guatemala eine ausgelassene heitere Feierlaune.
Bist Du zufällig über den 1. November in Guatemala, lohnt es sich bei diesem einzigartigen „Festival de barriletes gigantes“ vorbei zu schauen. Keine Sorge – es ist keine „geschlossene Veranstaltung“, bei der nur Familienmitglieder teilnehmen dürfen. Es ist regelrecht eine Massenveranstaltung.
Aufgrund von Corona konnte das Fest in diesem Jahr (2020) leider nicht wie im Folgenden beschrieben stattfinden. Doch glücklicherweise waren wir im vorherigen Jahr schon dort und haben diesen Trubel miterlebt. Vielleicht kannst Du ja nächstes Jahr dabei sein?
Wo finden die Drachenfeste statt?
Die größten Drachenfeste in Guatemala finden in Santiago Sacatepequez und Sumpango statt. Wir sind nach Sumpango gefahren. Natürlich wird dieses Drachenfest auch in vielen anderen Orten in Guatemala gefeiert, allerdings nicht in dieser Größe. Fast jeder besucht zumindest seine verstorbenen Lieben auf dem Friedhof.
Parken
Wenn Du mit eigenem Fahrzeug kommst, kannst Du entweder entlang der großen Hauptstraße parken oder aber im Dorf in einem der Hinterhöfe gegen eine geringe Gebühr (ca. 20 GTQ). Die Besitzer funktionieren diese nämlich extra für dieses Spektakel als Parkplatz um. Sei rechtzeitig da, denn die Parkplätze sind rar.
Anfahrt zum Drachenfest in Guatemala
Von Guatemala Stadt nach...
SANTIAGO SACATEPEQUEZ (ca. 35km, 1 Stunde Fahrtzeit ) und
SUMPANGO (ca. 50km, 1:15 Stunde Fahrtzeit)
Von Antigua nach...
SANTIAGO SACATEPEQUEZ (22km, 30 Minuten Fahrtzeit) und
SUMPANGO (17km, 30 Minuten Fahrtzeit) und
HALBTAGESTOUREN von 9 - 15 Uhr nach Sumpango (10,00 $).
Hintergründe zu dem Drachenfest in Guatemala
Wie werden die Drachen gebaut?
Viele Monate vor dem Drachenfest in Guatemala beginnt bereits der kreative Entstehungsprozess der riesigen 10-12 Meter hohen Papierdrachen. Dazu schließen sich Teams mit jungen Männer zusammen. In Guatemala nennt man sie „barrileteros“.
Die Drachen sehen ganz anders aus, als die typischen Drachen, die man v.a. in der Herbstzeit in Deutschland steigen lässt. Alle Drachen haben verschiedene Formen und Größen sowie unterschiedliche Designs. Sie bestehen aus Seidenpapier und z. T. aus Stoff und werden zusätzlich das Jahr über per Hand bemalt. Ich habe gehört, dass ein ca. 16 Meter großer Drache um die 80.000 GTQ (10.000 Euro) kostet.
An dem Design der Drachen erkennt man eine faszinierende Mischung aus Kunst, Tradition und Farbe, durch die die Guatemalteken Botschaften der Einheit, der Liebe, des Glaubens, des Respekts für Bräuche und gegenüber der Mutter Erde senden. Die Webereien und Drachen sind wichtige kulturelle Symbole der Maya-Identität in Guatemala. Die Entwürfe zeigen bestimmte Familiengeschichten, einschließlich zeitweise der Unterdrückung durch die Regierung und der wirtschaftlichen Bedingungen und soziale Sprüche.
Mit der Rückseite nach oben liegend werden sie am Tag des Festes auf dem Boden zusammengebaut. Das Grundgerüst besteht aus dicken Bambusstangen, die mit Stricken und Seilen verzurrt werden.
Der fertige Drache wird mit der Unterstützung von anderen Teams an einem hohen Mast aufgerichtet, bis zu diesem Zeitpunkt ist das Design geheim. Das ist gar nicht so einfach, denn der Drache muss optimal zur Windrichtung stehen und oftmals werden dafür mehrere Versuche benötigt.
Und wie sollen diese riesen Drachen fliegen?
Du wunderst Dich nun vielleicht, wie so ein Drache mit solch einem schweren Gerüst denn fliegen soll!? Die großen, eindrucksvollen Papierdrachen fliegen gar nicht auf diesem Kitefestival in Guatemala. Sie werden lediglich zur Schau gestellt.
Allerdings gibt es viele Drachen mit einem geringeren Durchmesser, die leicht genug sind für einen Flug über die Gräber bzw. über das Festgelände. Die Teams konkurrieren dann freundschaftlich miteinander, um zu sehen, wessen Drachen am längsten in der Luft bleiben kann. Dabei wird die Kreativität und die Länge des Fluges bewertet. Angeblich soll sogar mal ein 6 Meter Drache geflogen sein. Wenn alle Drachen dann am Nachmittag gleichzeitig starten ist das ein eindrucksvolles Bild. Leider sind wir nicht so lange geblieben, um das mitzuerleben, vielleicht das nächste Mal…
Die Legende hinter dem Drachenfestival
Diese Tradition gibt es schon seit über 120 Jahren. Früher wurden kleine Flugdrachen verwendet. Sie sollen – laut der Legende – in den Himmel empor steigen, um den Seelen der Toten den Weg in den Himmel zeigen. Dabei stellen die Fäden zwischen den Drachen und dem Boden die Verbindung zwischen den Lebenden und den Verstorbenen dar.
Einige sagen, dass an diesem Tag die Seelen der Verstorbenen die Lebenden 24 Stunden lang besuchen können und die Drachen als Leuchtfeuer dienen, um den Geistern der Verstorbenen zu helfen, die Lebenden zu finden.
Andere binden Nachrichten für Verstorbene auf Papier und befestigen diese Nachrichten am Schwanz oder an der Schnur eines Drachens. Wenn sich die Nachricht den Schwanz oder die Schnur hinaufarbeitet und den Drachen berührt, hat die Nachricht angeblich den beabsichtigten Empfänger erreicht.
Einer populären Legende der Gemeinde zufolge drangen die bösen Geister jeden 1. November in den Friedhof ein, um die guten Seelen zu stören, die hier ruhten. Dies löste Unbehagen aus und die Seelen der Toten streiften unruhig durch die Straßen und Häuser von Sumpango. Die von den Gemeindeführern empfohlene Lösung bestand darin, die Eindringlinge zum Rückzug zu zwingen, indem sie Papierstücke gegen den Wind flogen. Durch den Aufprall des Windes auf das Papier sollte der Ärger beseitigt werden. Aus diesem Grund verbrachten die Einheimischen Stunden damit, Drachen herzustellen. Dies führte schlussendlich dazu, dass die Geister ruhig blieben und den unerwünschten Besuch nicht mehr erhielten.
Was erwartet einen auf dem Fest zu Ehren der Toten?
Traurige Gesichter? Schwarze Gewänder? Andächtige Stimmung? Nein! Das Gegenteil ist der Fall. Doch ich beginne von vorne.
Ein Ort voller Festtagsstimmung & Essen ohne Ende
Vom Parkplatz aus läuft man, je nachdem wo man geparkt hat, erstmal bergauf durch die Ortschaft. Alle Läden und Restaurants haben natürlich für die heranströmenden Besucher geöffnet. Es ist richtig voll in den Hauptgässchen, fast etwas hektisch und uns etwas zu eng. Überall herrscht geselliges Treiben und Festtagsstimmung. Verschiedene Dürfte der Essensstände, die entlang der Gasse aufgebaut sind, kommen einem entgegen. Von Tortillas, Mais, Zuckerwatte, verschiedenen Fleischgerichten und Suppen gibt es alles bis hin zu Alkohol in Hülle und Fülle. Und sogar ein Spanferkel mit Sonnenbrille grinst einem entgegen. Im Hintergrund hört man guatemaltekische Musik, die eine festliche Stimmung verbreitet.
Ein kunterbunter fröhlicher Friedhof
Wir laufen erstmal zum Friedhof, auf dem auch schon viel los ist. Ein buntes, recht freudiges Treiben kommt hier einem schon entgegen. Die Gräber sind kunterbunt gestrichen und wunderschön mit Blumen dekoriert. Es sieht gar nicht mehr so aus wie auf einem Friedhof, sondern eher wie ein farbenprächtiger Garten. Drum herum stehen die Familien gemeinsam zusammen, essen, trinken und lachen und die Kinder spielen fangen zwischen den Gräbern.
Schon einige Tage vor dem Dia de Los Santos dekorieren die Familien ihre Gräber. Dadurch wollen sie sicher gehen, dass diese gut aussehen, wenn am 1. November der Geist der Verstorbenen zurückkommt. Am Morgen beginnt die Familie die Festlichkeit am Grab, um zu beten und dadurch Respekt zu zeigen. Oft wird Mariachi-Musik gespielt und die Lieblingssongs der verstorbenen Lieben gesungen. Wenn die Kirchenglocken läuten, ist es Zeit für die Messe.
Drachenfest & Fressmeile
Der Weg führt uns weiter zu dem großen Fußballplatz, auf dem das eigentliche Drachenfest stattfindet. Am Rande gibt es eine Fressmeile mit vielen weiteren Essenständen.
Schon von weitem erkennen wir die kreativen riesigen Drachen. Es ist ein wirklich eindrucksvoller Anblick. Völlig fasziniert laufen wir darauf zu und bestaunen all die lange Arbeit und das Herzblut, das die Guatemalteken in ihre Drachen gesteckt haben und nun zur Schau stellen. Der Platz ist schon voller Menschen. Je näher man zu den Riesendrachen kommt, desto enger wird es. Wir haben unsere Hündin Caipi dabei und müssen gut aufpassen, dass niemand auf sie tritt.
Da es uns nach einiger Zeit doch etwas zu voll wird, laufen wir zu dem hinteren Teil des Geländes, auf dem die kleineren Drachen ausgestellt werden, die am Nachmittag auch in die Höhe steigen werden. Zum Schluss klettern wir auf einen kleinen Hügel hinter den Imbissbuden. Von dort aus hat man wohl den besten Ausblick über das gesamte Gelände mit all den ausgestellten Drachen.
Alternative zum Drachenfest am 1. November
Bei diesem jahrhundertealten traditionellen Pferderennen geht es eher um Ausdauer und Reitkunst. Es gibt keine Gewinner und Verlierer sowie keine Regeln, außer dass man den ganzen Tag im Sattel bleiben muss. Von 6 Uhr früh bis 18:00 Uhr (mit nur einer Mittagspause) drehen die Reiter in traditionellen Kostümen ihre Runden.
Das Witzige daran ist, dass sie nach jeder Runde einen Schluck Alkohol trinken müssen. Bis zum Abend kann es dann ganz schön wackelig auf dem hohen Ross werden. 4 aufeinanderfolgende Jahre muss übrigens ein Reiter (nur Jungen bzw. Männer) an diesem verrückten Fest teilnehmen, um nicht vom Pech verfolgt zu werden.
Traditionelle Mahlzeit am Dia de los Muertos
„El fiambre“ ist die traditionelle Mahlzeit am Dia de los Muertos in Guatemala. Dieses kalte Gericht wird 2 Tage lang zubereitet und enthält 50 Zutaten, z. B. Gemüse, Fleisch, Wurst, Ei, Käse und Fisch. Als Dessert wird meist ein süßer Kürbis aufgetischt. Er ist außerdem gesüßt mit Zimt, braunem Zucker, Pflaumen oder Kichererbsen, die mit Honig getränkt sind. Dies isst man entweder zusammen mit seiner Familie zu Hause oder am Grab des Verstorbenen.
Lohnt sich ein Besuch des Kitefestivals in Guatemala?
Insgesamt verbrachten wir ca. 2 Stunden auf dem Drachenfest in Guatemala. Mir hat dieses bunte Treiben in Sumpango total gut gefallen. Klar, es ist viel los, es ist eng und nach einiger Zeit stressen einen diese Menschenmassen, v.a. wenn man einen Hund dabei hat.
Doch es ist einfach so interessant zu sehen, wie unterschiedlich der 1. November auf der Welt gefeiert wird. In Guatemala hat mich die Atmosphäre am Tag der Toten mit so viel Freude und Heiterkeit sehr beeindruckt. Auch wenn einem die verstorbenen Familienmitglieder fehlen, sollte man nicht mit positiven Gedanken und freudigen Erinnerungen an sie zurückdenken?
Auf dem „Festival de barriletes gigantes“ bekommt man einen sehr guten Einblick in die Kultur Guatemalas und für mich war es eine besondere „Ehre“ das erleben zu dürfen. Jetzt verstehe ich auch, warum Menschen aus der ganzen Welt hierher, zu dem bedeutungsvollsten Fest in Guatemala, kommen. Wir werden vielleicht auch nochmal hierher zurückkommen, um die bunten Drachen zu bewundern. Vielleicht Du ja auch!? Für mehr Infos und Reisekombinationen klick Dich einfach hier durch.
Warst Du schonmal auf diesem Festival de Barriletes Gigantes und mit welchen Eindrücken bist Du nach Hause gekommen? Schreib es mir doch gerne in die Kommentare gleich hier drunter!