Und? Wie geht’s Euch in Guatemala mit der ganzen Corona-Situation? Wie ist die Entwicklung? Welche Einschränkungen habt ihr?
Solche und ähnliche Fragen erhielten wir in den letzten Wochen zu Hauf. Deswegen gibt es hier einige Fakts über die Entwicklung der Corona Situation in Guatemala und auch noch einen kleinen Einblick in unseren „Corona-Lifestyle“.
Wir haben nur Kontakt zu vereinzelten Guatemalteken und informieren uns ansonsten über die Medien hier in Guatemala. Der Präsident hält regelmäßig eine Rede, in der er die neuen Regelungen mitteilt, aber auch sein Volk ermutigt und aufklärt. Trotzdem übernehme ich für die Infos hier keine Gewähr 😉. Ständig ändert sich hier was.
(Stand 15. Juni 2020)
Inhalt
1. Corona Situation in Guatemala und ihre Entwicklung
Wie alles ganz plötzlich begann …
Diesen Tag werd ich nicht vergessen. Donnerstag, der 12. März 2020, der Tag an dem ein guter Freund in den Flieger steigen wollte, um uns zu besuchen. Das wurde allerdings nix. Denn bevor wir überhaupt den ersten Corona-Fall im Land hatten, entschied der Präsident Alejandro Giammattei, die Grenzen zu schließen und keine Europäer, Chinesen, Koreaner und Iraner mehr ins Land einreisen zu lassen. Mittwoch kam die Ansage, dass diese Regelung ab dem Folgetag gilt!
Und ganz schnell wurden drastische Maßnahmen eingeführt
Am Freitag, den 13. März hatten wir in Guatemala dann auch den ersten Corona Fall, was zu extrem schnellen und drastischen Maßnahmen von Seiten der Regierung führte. Der Flugverkehr wurde eingestellt, die Grenzen komplett geschlossen, außer für vereinzelte Rückholflieger. Schulen, Kitas, Öffentlicher Transport, Nationalparks, Touristenattraktionen, Shoppingmalls, Restaurants, Bars wurden geschlossen und Großveranstaltungen wurden abgesagt. Auch die berühmten und für die katholischen Guatemalteken sehr wichtigen und bedeutungsvollen Osterprozessionen der Santa Semana wurden gecancelt, ebenso der öffentliche Verkehr. Innerhalb kürzester Zeit wurden diese und weitere Anordnungen entschieden und umgesetzt, bis hin zu einem Reiseverbot in den Osterferien. Zu Hause bleiben und Abstand halten galt auch rigoros für uns hier in Guatemala.
Nach und nach machten immer mehr Ortschaften dicht, durch die ansässige Polizei bzw. Ortsvorsteher. Mittlerweile landen wieder Flieger aus den USA. Allerdings nur um Diplomaten, Guatemalteken bzw. Deportierte zurückzubringen.
Schon bald hieß es dann auch, dass man sein „Departamento“ (der Bezirk in dem man wohnt, wir also Guatemala Stadt) nicht mehr verlassen darf. Dementsprechend weniger Verkehr gab es in der Stadt. Die Straßen waren ungewohnt leer, es gab plötzlich keine Rushhour mehr bzw. verschob sich diese im Laufe der Zeit, aufgrund der Ausgangssperre.
Und so führte eines zum Anderen… ähm… zur Ausgangssperre
Jawoll, es wurde eine Ausgangssperre eingeführt von 16 Uhr bis 5 Uhr. Zweimal verhängte der Präsident diese auch über das komplette Wochenende. Derzeit müssen wir von 18 Uhr bis 5 Uhr zu Hause bleiben. Wer sich nicht an die Ausgangssperre hält, muss für 15-30 Tage ins Gefängnis bzw. muss eine hohe Geldstrafe bezahlen. Und wie halten sich die Leute so dran? Schon nach kurzer Zeit wurden mehr Menschen festgenommen, als es Corona-Erkrankte gab 😱.
Der Präsident verkündete neulich, wenn die Zahlen der Neuinfizierten auf über 400 Personen steigen pro Tag, dann wird er einen 15-tägigen kompletten Lockdown verhängen. Tatsächlich hat er das bisher nicht umgesetzt, obwohl die Zahlen schon erreicht wurden.
Die heiligen 3 Mittel: Mundschutz, Desinfektionsmittel und Thermometer
Auch der Mundschutz wurde hier neben dem Social Distancing zu einem MUSS. Sobald man das Haus verlässt muss ein Mundschutz getragen werden. Beim Gassigehen, beim Einkaufen, beim Sporteln und sogar beim Autofahren. Makes sense? Rate mal, wie oft ich umdrehen musste, um die vergessenen Maske zu holen …
In den Supermärkten und Geschäften wird vor dem Betreten die Temperatur gemessen, man bekommt Handdesinfektionsmittel und sogar die Schuhsolen werden häufig desinfiziert. Vor manchen Geschäften bilden sich lange Schlangen – natürlich mit Sicherheitsabstands-Streifen auf dem Boden. Der Grund ist, dass in einige Läden nur eine gewisse Anzahl an Personen dürfen. Einkaufen braucht also Zeit und Geduld.
Die Klopapier- und Nudelknappheit wie in Deutschland haben wir hier Einglück nicht erlebt sowie keine übertriebenen Hamsterkäufe.
Interessierst Du Dich für genauere Informationen bzw. die weitere Entwicklung? Dann solltest Du bei dem Reiseblog WorldCalling4Me von meiner Freundin Manu vorbeischauen. Sie hat sich die Mühe gemacht, die neuesten Informationen in der Covid-19-Entwicklung in Guatemala zu übersetzen und sie in einem Blogbeitrag aufzulisten.
Hier kommst Du direkt zu den Artikeln, die täglich aktualisiert werden: Coronavirus in Guatemala und Coronavirus in Guatemala Teil 2.
Welche Einschränkungen haben wir derzeit?
„El Presidente“ hat eine weitere Ausgangssperre an den nächsten beiden Sonntagen eingeführt sowie eine Regelung, dass nur bestimmte Autos an gewissen Tagen auf der Straße unterwegs sein dürfen. Weiter gilt für die Bevölkerung:
- Social Distancing (das Mode Wort 2020)
- absolute Maskenpflicht sobald wir das Haus verlassen
- Ausgangssperre von 18 Uhr bis 5 Uhr morgens
- Das Verlassen der Départementos, also des jeweiligen Bezirks, in dem man wohnt, ist verboten. Natürlich gibt es Ausnahmen für Lebensmittellieferanten, etc.. Für uns heißt es, wir müssen in Guatemala Stadt bleiben und dürfen keine Wochenendausflüge in die süße Kolonialstadt Antigua unternehmen oder an den Strand fahren (2 Stunden entfernt).
- kein Flugverkehr (nur Frachtflugzeuge)
- öffentlicher Transport ist komplett lahmgelegt
- nationales und internationales Reiseverbot
- Schulen, Universitäten, Kitas sind bis auf weiteres geschlossen
- Hotels, Restaurants, Nationalparks, Shoppingmalls, Fitnessstudios usw. sind weiterhin geschlossen.
- keine Großveranstaltungen
- Schwangere und Personen, die älter als 60 Jahre alt sind, dürfen das Haus nicht verlassen.
Welche Möglichkeiten haben wir?
- Supermärkte, Tankstellen, Apotheken, Ärzte, Baumärkte usw. sind wieder geöffnet.
- Shopping-Plazas, zu denen man direkt mit dem Auto hin fahren kann, haben offen
- Bestellungen in einigen To Go – Restaurants sind möglich
- Essen kann man über die Lieferdienste Uber Eats, Glovo usw. bestellen.
- Man kann in der Stadt spazieren gehen, die allerdings keine besonderen Highlights hat.
- Freunde besuchen mit dem Ellenbogen-Gruß
- Gassigehen von 5 Uhr – 18 Uhr möglich
- Taxi und Uber fährt
Aktuelle Fallzahlen in Guatemala
Die Zahl der Fälle stieg recht langsam, doch der Präsident griff von Anfang an sehr streng durch. Es liegt wohl auch mit daran, dass das Gesundheitssystem nicht besonders gut ausgebaut ist und ein rasanter Anstieg der Coronafälle für Guatemala nicht zu bewältigen wäre. Einglück erhielt Guatemala fast 48.000 Corona-Test, wovon täglich ca. 1200 oder mehr durchgeführt werden.
2. Wie ist die Corona Situation für die Guatemalteken?
Du wirst Dir wahrscheinlich schon denken, dass diese Situation in einem Drittweltland wie Guatemala nicht besonders prickelnd ist.
Für die meisten Guatemalteken ist diese Corona-Situation ganz schlimm. Ich sollte dazusagen, dass von der ca. 17 Millionen-köpfigen Bevölkerung ca. 56% unter der Armutsgrenze leben. Daher ist es naheliegend, dass viele Guatemalteken oft „von der Hand in den Mund“ leben. Aufgrund des fehlenden öffentlichen Transports, der Schließung vieler Geschäfte und des wegfallenden Tourismus hat sich die Arbeitssituation für viele Guatemalteken verschlechtert.
Manche haben ihren Job verloren bzw. werden nicht weiter bezahlt. Andere haben Glück und können weiterhin arbeiten und manche bekommen immerhin noch einen Teil ihres Lohnes. Viele können ihre Miete nicht mehr bezahlen geschweige denn sich Lebensmittel kaufen. Diese Problematik führt zum Hungerleiden in der Stadt und auf dem Land. Da fragt man sich dann schon, was schlimmer ist: Corona oder Hungertod?
Soviel ich weiß gibt es bisher vom Staat noch keine große Unterstützung, außer einige Essenspakete, die verteilt werden. Immer mehr Menschen sieht man in den ärmeren Vierteln der Hauptstadt, die eine weiße Fahne aus ihren Häusern hängen oder mit dieser am Straßenrand stehen. Das ist ein Zeichen dafür, dass diese Familien auf Hilfe angewiesen sind, nichts mehr zu essen haben und auf diesem Wege um Nahrungsmittel bitten.
Über die Situation in den Krankenhäusern
Die Situation in den Krankenhäusern spitzt sich immer weiter zu. Zum Einen ist das Gesundheitssystem hier in Guatemala sehr schlecht. In Guatemala Stadt gibt es derzeit nur 3 provisorisch errichtete Krankenhäuser (z. T. umfunktionierte Lagerhallen), die sich ausschließlich um die Corona-Patienten kümmern sollen. Das sind natürlich viel zu wenige Krankenhäuser mit nicht ausreichenden Intensivplätzen, die bei einem Ansturm von Patienten zusammenbrechen würden. Die Ausstattung der Corona-Krankenhäuser in Guatemala Stadt ist mangelhaft. Es gibt zu wenig Personal, keine ausreichende Essensversorgung, zu wenig Wasser, fehlende Schutzkleidung, mangelnde medizinische Grundversorgung, oftmals defekte Klimaanlagen uvm..
Immer wieder heißt es in den Medien, dass die Regierung die Fachkräfte schon seit März nicht mehr bezahlt. Trotzdem setzen sie Tag für Tag ihr „Leben aufs Spiel“, um den Covid-19-Patienten die bestmögliche Versorgung zu geben.
3. Wie gehen wir mit der Corona Situation hier in Guatemala um?
Nach all den oben genannten z. T. erschütternden Fakten, fällt es mir fast etwas schwer nun über uns „Bros“ zu schreiben. Denn eigentlich möchte ich gar nicht jammern. Uns geht es sooo extrem gut, im Vergleich zu dem Großteil der Bevölkerung in Guatemala und das müssen wir und auch Du Dir in Deutschland echt bewusst machen. Was sind unsere „Problemchen“ schon im Vergleich zu den Existenzproblemen und den lebensbedrohlichen Hungersnöten in diesem Land?
Arbeit läuft weiter
Here we go! Arbeit läuft. Schorsch arbeitet ganz normal als Lehrer weiter. Seit dem 16. März 2020 ist, wie alle Schulen, auch die Deutsche Auslandsschule in Guatemala Stadt geschlossen. Die darauffolgende Woche war dafür vorgesehen, die Lehrer zu schulen und den Online-Unterricht einzuführen. Die Schüler wurden währenddessen mit Arbeitsaufträgen versorgt. Seither unterrichtet Schorsch die Schüler von zu Hause aus in virtuellen Klassenzimmern mit dem Programm Microsoft Teams. Es funktioniert nach der Einarbeitungsphase nun ganz ganz gut und er kann im Großen und Ganzen den selben Mathe-Unterricht durchführen wie auch im normalen Klassenzimmer zuvor. Zudem spart er sich natürlich den langen Anfahrtsweg in die Schule und kann sich zwischendurch schnell einen Kaffee machen und mir ein Hallöchen rüberwerfen. Auch Lehrerkonferenzen und Elterngespräche finden über dieses Programm statt.
An der Einstellung arbeiten
Nachdem die Corona-Maßnahmen nun schon 3 Monate in Guatemala anhalten, ist die Luft langsam raus, die Geduld lässt nach, es nervt – verständlich! Doch trotz alldem geht es uns gut. Konzentriert man sich auf die positiven Dinge und das Leben, das wir hier in Guatemala führen können, sollten wir einfach dankbar sein. Gerade wenn man mitbekommt, wie schlecht es vielen Menschen hier geht. Und trotzdem erwische ich mich dabei, wie ich mich über die eigenen „Luxusprobleme“ beschwere. Doch da meldet sich ganz schnell das schlechte Gewissen!
Daher versuchen wir uns auf das Positive zu konzentrieren, die Zeit sinnvoll zu nutzen, das Beste draus zu machen, an einer Einstellung hin zum Positiven zu arbeiten, dankbar zu sein, für das was wir haben und einfach zu hoffen, dass diese Pandemie auch irgendwann mal vorbei gehen wird (und nicht wieder kommt!!!). Natürlich gibt es Tage, an denen ist man einfach sauer, genervt und frustriert. Und das ist auch okay, solange es nicht die komplette Grundstimmung ausmacht und diese nicht Überhand nimmt.
Veränderung in der Freizeitgestaltung
Also schnell ablenken. So viel wie vorher können wir gerade aufgrund der Einschränkungen nicht unternehmen. Langsam schleicht sich Mister Alltag ein. Und den mag ich nicht. Day by Day immer das gleiche. Schorsch arbeitet. Ich beschäftige mich weiter mit dem Reiseblog, lese, nehme an Online-Kursen teil. Morgens wird Sport gemacht um die überschüssige Energie loszuwerden. Es wird gekocht, nach Deutschland telefoniert, wir gehen mit Caipi spazieren und entspannen uns im Whirlpool. Zu Beginn der Corona-Zeit hatten wir mit den Welpen noch gut zu tun.
Jetzt verschönern wir die Wohnung weiter, bauen Sachen und… werden träge! Du auch? Na dann, endlich hat man kein schlechtes Gewissen mehr wenn man chillt und sich eine Netflix Folge nach der anderen reinzieht 😜. Man hat halt Zeit, viel Zeit. Wochenendtrips, Ausflüge, Kneipentouren, Shoppen und Urlaub fallen weg und hinterlassen ein großes Zeitfenster, das natürlich intensiv genutzt werden KANN. Wenn da nur diese Corona-Trägheit nicht wäre 😉.
Kein Urlaub
Wer mich kennt weiß, dass Reisen ein fester Bestandteil meines Alltages ist. Und genau das ist gerade nicht möglich. Der Osterurlaub nach Belize, den wir Einglück noch nicht gebucht hatten, wurde gestrichen, da wir das Land nicht mehr verlassen konnten. Dann halt doch Urlaub in Guatemala? Neue Idee: Dschungelwanderung zur Mayastätte El Mirador. Doch dann kam das innerländische Reiseverbot. Tolle Wurst! Also Urlaub auf Balkonien mit Planschbecken.
Die Hoffnung, dass sich das Land wieder zum Juni-Urlaub öffnen wird hatten wir alle. Doch nix na. Der ursprüngliche Plan einen Roadtrip durch Alaska zu machen hatten wir eh schon verworfen. Und nun sitzen wir zu Hause, dürfen die Stadt nicht verlassen und träumen von den vergangenen Reisen. Für mich ist das echt blöd! Luxusproblem – definitiv! Deswegen denk ich einfach nicht so viel drüber nach und versuch die Situation zu akzeptieren wie sie eben ist.
Corona ist nicht alles
Auch wenn der Corona-Virus eine schlimme Krankheit ist und für viele Menschen kein gutes Ende nimmt, darf man nicht vergessen, dass es in Guatemala so viele andere gravierende Probleme gibt.
- Sei es das Hungerleiden, die Krankheiten, die nun vermehrt in der Regenzeit auftreten, wie Malaria, Denguefieber und Zika.
- Sehr viele Menschen hier sind vorerkrankt aufgrund der Armut. Vergewaltigung, Bandenkriminalität usw..
- Vor einigen Tagen brachte der Tropensturm Amanda und danach der Tropensturm Christobal viel Regen über Guatemala, und führte in manchen Gegenden zu Überschwemmungen, Erdrutschen, umgestürzten Bäumen, Stromausfällen und vollgelaufenen Häusern.
Ich hoffe sehr, dass der Präsident Alejandro Giammattei ein gutes Gespür für sein Land hat und ein Feingefühl dafür, was die Menschen in Guatemala an konkreter Unterstützung benötigen und er dies auch verantwortungsvoll in die Wege leiten wird.
Und solange warten wir geduldig, dass diese Pandemie vorbei geht und konzentrieren uns auf die positiven Dinge, die diese Situation mit sich bringt.
4 Kommentare
Hach, meine Liebe, du sprichst mir aus der Seele. Hoffentlich ist das alles bald vorbei und wir können endlich wieder „draußen“ ein Weinchen oder in der Sonne einen gemütlichen Kaffee trinken. Bis dahin bleibt uns wohl nur der Ausflug auf die städtische Las Americas mit den Vierfüßlern. 🙁
Oh Ja! Das hoffe ich auch! Das sind dann schon so Dinge, die man vermisst. Umso freudiger werden wir sein, wenn wir dann endlich „draußen“ sitzen. Wahrscheinlich wollen wir dann gar nicht mehr aufhören Drinks zu bestellen 😂.
Describiste muy bien la situación. Es lamentable la situación que muchas familias están atravesando, esperemos que esto pase pronto.
Bendiciones, Svenja.
Muchas gracias Andres. Espero mucho que pronto mejore para todos y que volvamos rápidamente a la normalidad aquí en Guatemala. Hasta luego en la clase de español. 😉