Du interessierst Dich für die Erlebnisse rund um die Geburt meiner Zwillinge in Guatemala? Cool. Aber es wird ziemlich persönlich. Bitte bedenke während Du meine Story liest: Es ist MEINE Geschichte, DEINE wird ganz anders sein (falls Du ein Kind erwartest).
Warum ich den Geburtsbericht hier veröffentliche? Zum Einen, um diese Erlebnisse für mich selbst verschriftlicht zu haben, denn diese Erinnerungen will ich nicht komplett vergessen. Sie ist und bleibt nun ein Teil von mir. Zum Anderen scheut es mich nicht, über so ein „Tabu-Thema“ zu berichten. Vielleicht kann die eine oder andere daraus etwas mitnehmen, inspiriert werden oder einfach die Neugierde befriedigen.
Inhalt
06. Oktober 2020, 10:00 Uhr - irgendwas ist anders
Am Anfang der Schwangerschaft wurde der Termin der Geburt meiner Zwillinge auf den 21.10.2020 festgelegt. Doch der stimmt ja in den meisten Fällen nicht. Bei Zwillingen muss man eher hoffen, dass sie so lang wie möglich drinnen bleiben. Die meisten kommen früher. Diese Vermutung hatte auch meine Ärztin: „Die beiden Jungs kommen bestimmt schon Ende September.“ Nope. „Sie kommen wahrscheinlich an diesem Wochenende.“ Doch es blieb ruhig – sie machten es spannend. Endlich wird es mal etwas aufregender, nach der entspannten Schwangerschaft.
Wie die Schwangerschaft bis zur Geburt verlief kannst Du übrigens in folgendem Artikel nachlesen:
Und dann am 6. Oktober 2020 wachte ich auf und spürte, dass etwas anders ist. Ich fühlte mich anders und mein Körper gab mir die ersten Anzeichen, dass es mit der Geburt bald los gehen würde. Das Besondere in Guatemala ist, dass die Frauenärztin auch die Geburt durchführt. Daher sollte ich mich bei ihr melden, wenn etwas ungewöhnliches passiert – was ich tat. „Komm sofort in die Praxis, ich check Dich durch.“
Die Untersuchung ergab folgenden Befund: mein Muttermund war bereits 5cm offen. Das ging schnell. Wehen? Schwach. Da ich Zwillinge erwartete, wollte Luisa, meine Frauenärztin, auf Nummer sicher gehen und riet mir auf dem schnellsten Weg in mein Wunsch-Krankenhaus El Pilar zu fahren. Sie würde die anderen Ärzte informieren.
Wie es mir ging? Ich war aufgeregt und voller Vorfreude, Neugierde und Motivation, auf das was ich das erste Mal in meinem Leben erfahren durfte: einen längerer Krankenhausaufenthalt und die Geburt meiner Zwillinge.
11:00 Uhr – Ein kurzer Stopp zu Hause
Auch wenn ich mich auf die Geburt meiner Zwillinge recht gut vorbereitet hatte, habe ich eine Sache auf die lockere Schulter genommen. Die Krankenhaustasche war nur halb fertig gepackt, während die Tasche für die Twins schon fertig bereit stand. Nachdem auch meine Sachen „krankenhausreif“ waren, chillte ich noch etwas im Bett, verschickte ganz aufgeregt WhatsApp Nachrichten an Familie und Freunde und dann gings los. Ach und unseren Hund Caipi fuhren wir noch bei Freunden vorbei…
13:00 Uhr - Krankenhaus El Pilar
Endloser Papierkram am Empfang
Ich war ganz aufgedreht, obwohl die Wehen langsam das Zwicken anfingen. Schorsch erledigte Einglück das ganze Papierzeug am Empfang, denn ich hatte nicht mehr ganz so die Energie, dort zu stehen und alles auszufüllen. Anders als in Deutschland, muss man im Krankenhaus El Pilar eine Anzahlung über die Krankenhauskosten machen, damit diese Gewissheit haben, dass wir am Ende die Rechnung begleichen können.
Das Glück ist mit der Zwillings-Muddi: Upgrade zur Suite
Trotz der Corona-Pandemie durfte Schorsch mit ins Krankenhaus und die ganze Zeit bei mir bleiben – auch nachts. Das war möglich, weil wir ein paar Tage vorher einen Covid-Test gemacht hatten. Und somit wurden wir auf unser gemeinsames Zimmer gebracht.
Wir erhielten sogar ein Upgrade – eine Suite! „Mensch, fast wie im Hotel hier“, dachte ich zu Beginn. Doch später wurde mir klar – Nö, das stimmt so nicht. Denn im Hotel kommt nicht alle schießlang Personal in Dein Zimmer. Wie die Suite aussah? Wir hatten 2 Zimmer und ein eigenes Bad. In dem ersten Zimmer gab es eine kleine Küchenniesche mit Sofa und Fernseher. Durch eine Glastüre ging es in „mein“ Zimmer mit Bett, Sesseln und weiter zum Badezimmer. Der große Nachteil war allerdings, dass es keine Fenster gab – nur zum Gang raus. Diese macht man aber nicht hat auf – man will ja nicht wie auf dem Präsentierteller von allen beobachtet werden. Auch die Klimaanlage war ziemlich blöd angebracht, direkt aufs Bett gerichtet. Für mich okay, aber dann mit Babies?
Maniküre, Untersuchungen, Vorstellungsrunden und keine Ruhe
Und da ging der „Nicht-Hotelsuite-Wahn“ schon los mit dem Manikür-Programm. Mein hübscher roter Nagellack wurde entfernt und ich musste all meinen Schmuck ablegen. Na toll – da hatte ich mich extra hübsch gemacht für meine 2 Jungs …. 😛
Ich wurde untersucht, d.h. Blutdruck wurde gemessen, die Herztöne der Zwillinge abgehört, mir wurde der Zugang gelegt, Blut abgenommen uvm. und dann begannen die Vorstellungsrunden. Der Chefarzt der Klinik kam, der Anästesist, die Kinderärztin stellte sich vor und einige Krankenschwestern. Fehlte nur noch der rote Teppich, die Blaskapelle und meine Autogrammkarten. Ruhe und Zeit, um mich auf die Geburt einzustimmen gab es erstmal nicht. Immer wieder kamen Krankenschwestern und Ärzte herein, ich wurde zu allen möglichen gesundheitlichen Fakten befragt und jede Stunde wurden der Blutdruck und der Herzschlag der Babies gemessen.
14:00 Uhr – Luisa kommt und die Warterei beginnt
Luisa kam aus ihrer Praxis ins Krankenhaus um die Lage „zu checken“. Der Muttermund war bereits bei 7cm. Sie vermutete, dass die Geburt noch am späten Nachmittag losgehen würde. „Wow, das geht ja schnell!“ Ich war überrascht. Doch die Wehen wurden nur minimal stärker, die Abstände nur minimal kürzer und somit musste die Geburt meiner Zwillinge noch warten.
Leider durfte ich nichts mehr essen! Das ist typisch hier in Guatemala. Falls nämlich bei der Geburt doch ein Kaiserschnitt gemacht werden muss, sollte der Magen leer sein. Also aß ich lediglich wässrige Dinge, wie Eis, Wackelpudding, Suppe und trank viel Wasser und Tee.
Luisa checkte mich ebenfalls jede Stunde, versuchte den Muttermund zu weiten, was ziemlich schmerzte. Ich hatte das Gefühl, sie wollte, dass es endlich los geht, ich ja auch. Aber bitte alles zu seiner Zeit, bitte alles ganz natürlich und ohne Druck und künstliche Beschleunigung! Das habe ich immer wieder betont: „So natürlich wie möglich bitte!„
18:00 Uhr - Es geht voran, ähm doch nicht
Am Abend sorgte ich mal wieder für etwas Überraschung bei den Ärzten, denn ich war noch immer ziemlich entspannt und gut gelaunt. Kein Wunder, dass ich das Gesprächsthema Nummer 1 auf der Geburtsstation war. Diese Deutsche, die mit Zwillingen schwanger ist und eine natürliche Geburt anstrebt. In Guatemala ist das eine ziemlich undenkbare Geschichte, da 90% der Schwangeren einen Kaiserschnitt vorziehen.
Um den Geburtsprozess etwas in Gang zu bringen, bewegte ich mich viel in dieser Zeit des Wartens. Entweder spazierte ich mit Schorsch die Gänge entlang, stieg die Treppen auf und ab oder ich tanze im Zimmer zu meinen Lieblingsliedern. Die reinste Tanzshow war das.
Als Luisa am Abend wieder zu mir kam für den nächsten Check-Up, war ich noch immer ganz entspannt mit meinem gefühlt zehnten Eis. Neuer Stand: Muttermund auf 8cm. „Heute wird das wohl nichts mehr mit der Geburt.“ Nachdem sie bis 21 Uhr mit uns in der Klinik wartete, sagte sie, dass sie am nächsten Morgen um 5:00 Uhr wieder kommen würde. Wenn sich etwas ändert, die Wehen in sehr kurzen Abständen kommen, sollen wir sie anrufen.
20:00 Uhr - Eine schmerzhafte langwierige Nacht
Ich bereitete mich auf die Geburt meiner Zwillinge und den Geburtsprozess mit Hypnobirthing, Meditation, Entspannungsmethoden, Visualisierung und einem positiven Mindset vor. In dem Buch hieß es, man solle sich ins Bett legen und in eine Art Trance-Zustand kommen.
Hinlegen war für mich überhaupt nicht möglich. Ich brauchte Bewegung. Die Wehen wurden immer heftiger – und das die ganze Nacht hinweg. Ich lief mit Schorsch immer wieder den Gang entlang. Alle paar Minuten hielt ich mich am Geländer fest, ging in die Froschposition und versuchte mit langen und tiefen Atmungen, die Schmerzen weg zu atmen. Das war hart. Es wurde härter. Und es zog sich. Das war die heftigste Nacht, die ich jemals erlebt habe. An Schlaf war nicht zu denken. Schorsch führte „Buch“ über die Abstände der Wehen und irgendwann sagte er: „Ich glaube wir sollten Luisa anrufen!„
07. Oktober 2020, 05:00 Uhr - Untersuchungen
Luisa kam gegen 05:00 Uhr zurück ins Krankenhaus. Das Ergebnis der Untersuchung: Der Muttermund hatte sich trotz der heftigen Wehen nur einen weiteren cm geweitet, also auf 9cm. Ich war enttäuscht. Nach der heftigen Nacht war ich mir ziemlich sicher, dass er die 10cm erreicht hat. Nun gut – nochmal dehnen, untersuchen und dann sagte Luisa endlich die erlösenden Worte: „Svenja, mach dich fertig, wir gehen in den Kreissaal.“
Ich zog mir dieses Krankenhaus-Hemdchen an, spritzte mir nochmal etwas kaltes Wasser ins Gesicht und musste mich auf eine Liege legen. Und schon wurde ich die langen Gänge entlang in den Kreissaal gefahren. Mein Herz schlug bis zum Hals, dann krampfte ich wieder wegen einer weiteren krassen Wehe und irgendwie war ich neugierig. Neugierig auf die Geburt meiner Zwillinge und auf die Grenzerfahrungen die ich nun machen werde.
06:30 - Kreissaal zum Erschauern
Schorsch musste erstmal mit einem der Ärzte in einen extra Raum und sich Kreissaalgetreu anziehen. Anschließend wurden uns alle anwesenden Personen, die bei der Geburt meiner Zwillinge halfen, vorgestellt: 2 Krankenschwestern, 2 Kinderärzte, der Chefarzt und natürlich Luisa, meine Frauenärztin, die die Geburt begleitete. Doch ich war erstmal geschockt, denn der Kreissaal war zum Erschauern: Grelles Licht, ungemütlich, klein wie ein Kellerloch und eine schmale harte Liege. Ich stellte mir Kreissäle immer viel gemütlicher vor, aber vielleicht ist das nur in Deutschland so. Da muss was geändert werden!
„Können wir das Licht dämmen?“ „Darf Schorsch Musik anmachen?“ „Ich kann mir nicht vorstellen, nur auf der Liege und in Rückenlage die Kinder rauszupressen – geht das auch in anderen Positionen?“ Meine Ärzte waren toll – sie sagten zu allem Ja und Amen. Ich durfte alles machen, sie legten sogar eine Matte auf den Boden mit Tüchern, sodass ich mich dort frei bewegen konnte um die Jungs zur Welt zu bringen. Luisa meinte schon, dass sie mit einer Beschwerde der Krankenhausleitung rechnet, da solch alternative Methoden normalerweise nicht erwünscht wären. Aber ihr war das egal. Gut so.
06:50 – Grenzerfahrung: Die Geburt meiner Zwillinge
Überforderung
Und los gings im Flow. Luisa brachte die Fruchtblase einfach zum Platzen und kurz danach fingen die Presswehen an. Mit diesen konnte ich definitiv besser umgehen, da man nun endlich aktiv werden konnte. Ich habe in meinen Vorbereitungen allerdings gelernt, die Kinder raus zu atmen. Klingt komisch? War auch komisch. Ich wollte pressen. Doch wie geht das? Keiner erklärte mir irgendwas. Ich war genervt. Die Ärzte quatschten, es war unruhig und laut. Ich wollte meine Ruhe. Schorsch sorgte für Ruhe und der Kinderarzt erklärte mir was ich machen musste.
Pressen bis zum „Ich kann nicht mehr“
Die Zeit verflog. 2 Stunden presste ich in allen möglichen Positionen, hinterließ so einige Spuren auf den Tüchern und wurde angefeuert wie eine Marathonläuferin. So kämpfte ich mich Wehe für Wehe durch und verstand nicht, warum der Bub nicht rauskam. Denn ich hörte immer nur: „Ja super, ich seh schon das Gesicht, da ist das Ohr.“ „Svenja Du machst das super!“ „Weiter so! Fast geschafft!“ Ich dachte mir immer nur: „Ja cool, dann muss ich wahrscheinlich nur noch 2x pressen und er wird kommen!“ War aber nicht so.
Ich konnte langsam nicht mehr, ich war ausgepowert und meine Wehen wurden schwächer. Der Bub kam einfach nicht raus. Mir war nicht bewusst, dass die Zeit schon so vorangeschritten war. Als ich hörte, dass ich schon 2 Stunden in den Presswehen war, war ich entsetzt. Luisa erklärte mir, dass der Erstgeborene ein Sternengucker ist, d.h. er lag falsch herum und schaute nach oben, statt nach unten, was die natürliche Geburt erschwerte.
Wehenfördernde Mittel
Sie riet mir zu einem wehenfördernden Mittel, damit die Wehen wieder in Fahrt kommen. Wenn das nichts bringen würde, würde sie mir zum Kaiserschnitt raten. Es ist einfach schon sehr viel Zeit vergangen seitdem die Fruchtblase geplatzt ist und es könnte gefährlich werden für die Kinder und für mich noch länger zu warten. Für mich hatte sich von Anfang an ein Motto für die Geburt herauskristallisiert, das mir sehr wichtig geworden war: natürlich und sicher!
Die wehenfördernden Mittel brachten leider nichts. Zudem rutschte das erste Kind wieder etwas zurück in den Geburtskanal. Ich war einfach zu erschöpft nach der langen Nacht und den Presswehen. „Fuck off, ich will den Kaiserschnitt!„
09:00 Uhr - Kaiserschnitt
Und dann ging alles ganz schnell… zack zack zack, wurde alles um mich herum umgebaut, Schorsch musste währenddessen kurz raus und ich bekam die Betäubungsspritze. Zu meinem Schrecken kamen aber nochmal 2 starke Presswehen. Ich heulte auf. 2 der Ärzte standen bei mir, hielten meine Hand, massierten meinen Rücken und halfen mir durch diese letzten beiden Wehen. Plötzlich fühlte ich mich wie im Himmel, wie im Paradies, wie auf Wolke 7 schwebend! Die Betäubung wirkte! Endlich! Halleluja! Dieses Gefühl lässt sich sehr schwer beschreiben: Auf jeden Fall war war es befreiend und erleichternd. Endlich war Schluss mit den Schmerzen nach so vielen Stunden der Krämpfe.
Meine Beine und Arme wurden auf Schienen des Operationstisches festgebunden und vor dem Bauch wurde ein Tuch gespannt. Ich glaube die Ärzte waren ziemlich erleichtert, dass sie endlich anfangen duften mit der OP und die Geburt meiner Zwillinge bald abgeschlossen wäre.
Endlich kam Schorsch zurück, ich war so erleichtert. Während ich noch den Zustand des schmerzlosen Daseins genoss und immer müder und müder wurde, registrierte ich gar nicht, dass die Ärzte schon mit dem Operieren angefangen hatten. Denn plötzlich sah ich sie zum ersten Mal…
09:20 Uhr & 09:21 Uhr - Die Mini-Bros erblicken das Licht der Welt
… meine 2 kleinen Jungs. Ich konnte es nicht glauben, ich war nicht auf diesen Moment eingestellt. Plötzlich lagen diese kleinen Wesen, die 38 Wochen in meinem Bauch herangewachsen sind, auf meiner Brust. Unglaublich. Meine Kinder sind raus. Welch ein bewegender, unvergesslicher und dankbarer Moment. Ich sah ihre Gesichter nicht, dabei war ich doch so neugierig wie sie aussahen. Die Ärzte hoben sie für mich etwas an. Waren die süß … und sooooooo klein!
Erleichterung pur, dass dieser Spuk, diese Grenzerfahrung und all der Schmerz nun vorbei war. Dachte ich – doch dieser hielt noch an – mehr dazu später. Und ich? Ich war sooo müde! Ich weiß noch, dass der Anästhesist sich mit mir unterhalten wollte, aber ich war viel zu erschöpft für dieses Gespräch und wollte auf der Stelle einschlafen.
Viel später erfuhr ich, dass der Erstgeborene so fest im Geburtskanal steckte, dass Luisa ihn fast nicht herausbrachte. Beinahe hätte sie die Hilfe des Chefarztes in Anspruch genommen. Schlussendlich schaffte sie es doch, ihn mit 2 Händen herauszuholen. Baby Numero 1 kam somit um 09:20 Uhr und Baby Numero 2 um 09:21 Uhr zur Welt. Schorsch durfte bei einem Kind sogar die Nabelschnur durchtrennen, nachdem diese auspulsiert war. Wer all diese Fotos gemacht hat? Keine Ahnung 😜.
10:00 Uhr - Das erste Mal stillen
Während ich genäht und gewaschen wurde, wurden die Zwillinge untersucht. Schorsch war dabei. Auf den ersten Blick waren die beiden gesund. Danach brachten sie mich in den „Aufwachraum“, um mir die Kinder zum Stillen zu bringen. Doch ich war zu müde und fragte, ob ich kurz für 10-15min schlafen kann bevor ich das erste Mal stille.
Liebevoll wurde ich nach dieser Zeit geweckt und die Kinderärztin Andrea Castillo gab mir Tipps und Tricks zum Stillen und v.a. zum Tandemstillen, also beide Jungs gleichzeitig. So lag ich auf der Liege, mit einer riesigen Windel, einem Hemd und oben ohne, fix & fertig, sau müde und glücklich, die Jungs nun sauber und angezogen in meinen Armen zu halten und zu stillen. Es hat gut geklappt. Sie saugten sogleich kräftig los.
Ein nerviger Krankenhausaufenthalt
Nach dem Stillen wurde ich in unsere Suite gerollt, in der Schorsch übrigens ebenfalls die ganze Zeit mit schlafen konnte – auf dem Sofa – aber immerhin. Die Krankenschwestern bereiteten ihm jeden Abend sein Schlafgemach vor. Man hob mich in das Bett und spürte dabei nichts. Meine Beine waren noch taub, was ebenfalls ein neues, ungewohntes Gefühl war. 6 Stunden sollte das ca. anhalten, deswegen hatte ich auch für diese Zeit einen Katheder bekommen. Zudem sollte ich nicht sprechen. Denn durch das Heben und Senken der Bauchdecke beim Sprechen wäre durch die Kaiserschnittwunde Luft in den Bauch gegangen. Das war schwer. NATÜRLICH hatte ich immensen Redebedarf nach DIESEN vergangenen ereignisreichen Stunden!
Untersuchungen über Untersuchungen – Die völlige Blöße geben
Und dann ging es los. Ständig kam ein Arzt rein, entweder Luisa, der Chefarzt, Krankenschwestern oder die Kinderärzte. Es ging zu wie auf dem Rummelplatz. Ich war ja eh schon völlig hilflos, konnte mich nicht bewegen und dann wurde ich – zeitversetzt – von 3 verschiedenen Ärzten gefragt, ob sie in meine blutige Windel schauen dürfen. Beim ersten Mal dachte ich mir so: „Bitte waaaaas?“ Und dann: „Na, freilich! Kommt nur alle her und schaut mir in mein Höschen“
Zeit zu viert alleine hatten wir erstmal nicht. Von Ruhe indiesem Krankenhaus kann man wohl nur träumen! Schon frühs um 5 Uhr kamen die Krankenschwestern und wollten unsere Zwillinge baden! Wir so: „Nein, nicht nötig, das machen wir selber, wenn wir zu Hause sind!“ „Nein, Sie brauchen nicht wickeln, das macht Schorsch!“ Ich war nämlich ans Bett gefesselt und konnte nicht aufstehen.
Das erste Mal „Aufstehen“
Alter Schwede, mir war nicht bewusst, wie bewegungsunfähig man nach einem Kaiserschnitt ist. Meine Ärzte wiesen mich schon darauf hin, dass ich bereits am Abend unbedingt das erste Mal aufstehen soll, damit der Heilungsprozess der Kaiserschnittwunde gut angekurbelt wird. Ich bekam natürlich Schmerzmittel, doch trotzdem spürte ich das Ziehen der Wunde enorm.
Der Versuch aufzustehen war eine Katastrophe. Trotz Hilfe der Krankenschwestern, war es mir nicht möglich einen Schritt zu gehen, geschweige denn mich irgendwie zur Dusche zu bewegen. Schon das Aufsetzen im Bett kostete soviel Schmerz und Kraft, dass mir Schwarz vor Augen wurde.
Daher wurde ich von den beiden netten Damen im Bett gewaschen – überall! Es ist in der Tat seltsam, nicht Herrin seines eigenen Körpers zu sein: von der absoluten aktiven Bewegungskanone – hin zur unbeweglichen Hilfesuchenden. Das war krass! Und wieder eine Grenzerfahrung.
Krankenhausaufenthalt zum Wegrennen: Völlig ausgeknocked!
Wir waren gut damit beschäftigt, die Babies zu versorgen und ihre ersten Stunden in dieser verrückten Welt so angenehm wie möglich zu gestalten. Ich stillte alle 2 Stunden und Schorsch wickelte. Manchmal überkamen mich die Emotionen. Es war einfach viel. Immer wenn ich an die krasse Geburt dachte, hatte ich Tränen in den Augen, was für mich ein Zeichen war, dass ich diese Erfahrungen unbedingt aufarbeiten sollte.
Die Zeit im Krankenhaus war einerseits sehr unruhig, andererseits sehr herzlich. Alle waren total lieb und verzaubert von den Zwillingen und ich hörte oft den Satz „Oh, son gemelos?!“ („Ah, sind das Zwillinge?“), der mich auch in Zukunft oft begleiten sollte. Vom Klinikpersonal erlebte ich viel Unterstützung und Fürsorge.
Doch irgendwann wurde es uns zu viel und es nervte, v.a. wenn zu manchen Zeiten alle 15min jemand anderes ins Zimmer kam und mich auf Spanisch zutextete. Manchmal war Schorsch nicht da und ich wusste nicht, was die Krankenschwestern von mir wollten, was mich stresste. Ja genau, das ist das richtige Wort. Der Krankenhausaufenthalt stresste mich ungemein. Zudem waren meine Eisenwerte im Blut zu gering und ich bekam spezielle Medikamente. Des Weiteren war das Essen viel zu wenig, dabei hatte ich so einen Heißhunger. Und immer wieder versuchte ich zwischendurch aufzustehen, denn der Katheter wurde ja nach den 6 Stunden entfernt und ich musste bis dahin wieder in der Lage sein, auf Toilette zu gehen.
Sind die Kinder gesund?
Die Kinderärztin untersuchte die Zwillinge direkt nach der Geburt und auch danach noch 2x. Sie hat ihre Praxis in der Klinik, was für uns sehr praktisch war. Die Ergebnisse waren durchweg positiv. Doch am Donnerstag Abend, kam die Horrornachricht. Andrea kam zu uns und teilte uns mit, dass sich beim Erstgeborenen der Herzschlag seltsam anhört, was auf ein kleines Loch im Herzen zu zurückzuführen ist. Ich war geschockt, voller Sorge und den Tränen nahe.
Andrea beruhigte uns schnell und meinte, dass das erstmal nicht weiter tragisch ist, da das viele Neugeborene haben. Zur Sicherheit würde sie das Herz gerne von einem Spezialisten untersuchen lassen. Ich musste so weinen und hatte einfach keinen Bock mehr auf das Krankenhaus. Zudem war der Zugang in der linken Hand so schlecht gestochen, dass sich dieser entzündete, was ungemein schmerzte. Schon wieder Schmerzen! Ich hatte sowas von die Nase voll!
Bereits am nächsten Tag, morgens um 6 Uhr wurde der Bub zur Herz-Untersuchung abgeholt. So schnell würde man wohl in Deutschland keinen Termin bekommen…
Namensfindung
Lange hießen unsere Jungs nur GEMELO 1 und GEMELO 2 (= Zwilling 1 und Zwilling 2), da wir uns noch nicht für die Namen entschieden hatten. Mika stand fest – so sollte der zweite heißen. Nils oder Liam der Erste. Noch dazu wollten wir ihnen einen 2. spanischen Vornamen geben, da sie in Guatemala aufwachsen und die dortige Staatsbürgerschaft bekommen. Nils oder Liam Emilio und Mika Miguel waren unsere Favoriten.
Doch Luisa fragte mich eines Morgens: „Svenja, was bedeutet eigentlich Mika?“ Ich so: „Mika kommt aus dem skandinavischen und stammt von Michael.“ Luisa antwortete sichtlich überrascht: „Ach, dann hat er ja dieselbe Bedeutung wie Miguel – der Name stammt auch von Michael!“ Wir mussten lachen, denn wir wollen unser Kind ja nicht Michael Michael nennen. Daher mussten wir neu überlegen, wie wir die Zwillingen nennen wollten. Der Zweite Hammer war, dass wir den Erstgeborenen dann mal eine Weile Nils nannten, Schorsch den Namen aber zu Nilsi verunstaltete. Ein No Go – und so wurde auch dieser Name gestrichen.
Daher loggten wir schließlich nach 2 Tagen im Krankenhaus die Namen LIAM EMILIO BRUDER (geboren um 09:20 Uhr, 44cm, 2,4kg) und MIKA MATEO BRUDER (geboren um 09:21 Uhr, 43cm, 2,2kg) ein. Herzlich willkommen bei uns!
Endlich nach Hause
Nach der herausfordernden Geburt meiner Zwillinge und all dem Trubel waren wir sehr froh 2 Nächte später das Krankenhaus hinter uns zu lassen. Im Rollstuhl wurde ich zum Auto gebracht, da mir das Aufstehen und Bewegen noch sehr schwer viel. Die paar Meter vom Auto zum Aufzug, der mich in unser Wohnung brachte waren Hölle!
Doch das war mir Wurst, denn wir waren ENDLICH zu Hause – das erste Mal als Familie, mit 2 kleinen Jungs. Ein bewegender & magischer Moment. Eigentlich – mich freute es aber genauso sehr, als ich endlich wieder im Bett liegen konnte. Diesmal nicht alleine oder zu zweit, diesmal mit zwei kleinen Fliegengewichten, so zart, so hilflos, so zerbrechlich, aber zuckersüß und soooo hübsch!
Die Unterschiede zu einer Geburt in Deutschland
Da ich in Deutschland noch kein Kind zur Welt gebracht habe, kann ich jetzt nicht detailliert auf die Unterschiede eingehen. Doch ein paar Sachen sind mir aufgefallen, die ich von Erzählungen aus Deutschland ganz anders erlebt habe.
- In Guatemala wirst Du viel mehr umsorgt. Jeder nimmt sich so viel Zeit für Dich. Umso unruhiger ist es dadurch auch, denn jede Krankenschwester hat ihre Aufgabe. Deswegen kommt die Eine zum Wickeln, eine andere zum Blutdruckmessen usw.
- Man hat einen persönlicheren Bezug zu den Ärzten.
- Im privaten Krankenhaus in Guatemala hat man eigentlich immer ein Einzelzimmer, was für mich perfekt war, da ich Tanzen, Schnaufen und sonstige absurden Geräusche machen konnte, bis ich in den Kreissaal durfte.
- Der Kreissaal ist sehr ungemütlich und voll für Kaiserschnitt-Operationen hergerichtet. Kein Wunder, wenn 90% der Frauen einen Kaiserschnitt bevorzugen.
- Trotz der Corona-Pandemie durfte Schorsch die ganze Zeit mit im Krankenhaus bleiben, auch nach der Geburt.
- Meine Frauenärztin, die mich die 9 Monate durch die Schwangerschaft begleitet hat, hat auch die Geburt meiner Zwillinge durchgeführt.
- Bei einer spontanen Geburt gehen die meisten Frauen nach 1 Nacht wieder nach Hause, nach einem Kaiserschnitt nach 2 Nächten.
- Wir hatten das Gefühl, dass die Ärzte die Geburt meiner Zwillinge ziemlich gepusht haben, da die Fruchtblase zum Platzen gebracht worden war, mir schon viel früher eine Einleitung angeboten wurde usw.
➳ Schlussgedanken
Danke
Danke, dass Du bis hierher gelesen hast! Das war jetzt eine Menge Text – daher – Danke für Dein Interesse und Teilhaben an meiner Story. Es ist nicht leicht, das Erlebte in Worte zu fassen. Alle, die schon eine Geburt erlebt haben, wissen das. Bei mir rücken die negativen Erlebnisse schnell in den Hintergrund und ich behalte das Positive. Damit meine ich nicht, dass ich negative Erlebnisse verdränge. Nein, ich musste diese definitiv verarbeiten. Wie?
Nicht verdrängen – verarbeiten – Frieden schließen
Ich habe „viel“ über die Geburt meiner Zwillinge gesprochen, kein Blatt vor den Mund genommen und auch Details erzählt. Wenn mir bei dem Gedanken an die Geburt Tränen in die Augen gestiegen sind, war das für mich immer ein Zeichen, dass ich diesem unguten Gefühl auf den Grund gehen musste. So war das bei Gedanken daran, dass ich doch keine normale Geburt erleben durfte, wie ich es mir gewünscht hatte oder an die Hektik im Krankenhaus, die mich fertig gemacht hatte oder auch das Gefühl der völligen Hilflosigkeit und Abhängigkeit, das mich begleitet hatte.
Ich entschied mich dazu, Frieden mit dem Erlebten zu schließen. Frieden damit, dass es nicht so gelaufen war, wie ich es mir gewünscht hatte und Frieden mit den Ärzten, denen ich nicht voll vertraut hatte und danach anerkannte, dass sie ihr Bestes gegeben haben. Aber auch Frieden mit mir als Frau und Mutter, dass ich die Spontangeburt „nicht geschafft habe“. Stattdessen bin ich dankbar, dass schlussendlich doch alles so gut gelaufen ist und wir alle letztendlich gesund sind.
Tipps an zukünftige Muttis
An alle, die noch eine Geburt vor sich haben: bleib relaxt und offen für alles was kommt. Ob spontane Geburt oder Kaiserschnitt – die Kleinen entscheiden auch mit, wie sie auf die Welt kommen wollen. Mach Dir einfach nicht zu viele Gedanken. Immer schön tief durchatmen, eine gute Atemtechnik verinnerlichen und immer dran denken: Egal was kommt es wird gut – sowieso. (Übrigens: das Lied von Mark Forster „Sowieso“ hat mich sehr durch die Zeit im Krankenhaus getragen.)
Dankbar
Wenn ich auf die Zeit der Geburt meiner Zwillinge zurückschaue, bin ich trotz allem dankbar für diese Erfahrung. Es war…
- herausfordernd, aber ich hatte die beste Unterstützung von Schorsch und von den Ärzten.
- ermüdend, aber ich konnte meine körperlichen Kräfte spüren und dass auf meinen Körper Verlass ist.
- emotional, aber ich konnte erleben, was ein weiblicher Körper enormes leisten kann.
- schmerzhaft über einen längeren Zeitraum hinweg, doch dafür hatte ich plötzlich 2 kleine 44cm große Knirpse in meinem Arm, für die ich unendlich dankbar bin – obwohl ich mir lange nicht sicher gewesen war, ob ich überhaupt Kinder möchte. Aber ich bereue es nicht. Es ist ein Geschenk. Life is good with kids!
Egal was kommt es wird gut sowieso, immer geht ne neue Tür auf irgendwo. Auch wenns grad nicht so läuft wie gewohnt – egal, es wird gut sowieso.
6 Kommentare
Wow so schön und spannend und ehrlich. Schön, dass am Ende alles gut war! Freue mich euch bald zu sehen und die Kids kennenzulernen 🥰
Hallo Du Liebe, vielen Dank für Deine lieben Worte 🤩❤️ Wir freuen uns auch sehr, Dich wieder zu sehen und Dir unsere kleinen Mini-Bros vorzustellen 🤩 Bis ganz bald, Svenja
Hallo Svenja,
ein sehr schöner, weil offener Geburtsbericht. Ich habe letztes Jahr auch eine Tochter bekommen, und ich kann mich Dir nur anschließen: Bloß nicht zu viele Gedanken machen. Es kommt, wie es kommen soll, und das muss man so annehmen. Hauptsache, die Kinder sind gesund. Ich hatte insofern Glück, weil die Geburt innerhalb von vier 4 Stunden auf natürlichem Weg erfolgte, aber den Krankenhausaufenthalt habe ich auch als sehr belastend empfunden. Obwohl ein Einzelzimmer „gebucht“ war, gab es schlicht keine Verfügbarkeiten, und so musste ich 3 Tage im Doppelzimmer ausharren. An Schlafen war nicht zu denken, permanent irgendjemand im Zimmer und furchtbares Essen. Aber das geht alles vorüber und verblasst im Nachhinein.
Eine schöne Zeit mit den beiden Mäusen und viele Grüße nach Guatemala
Nathalie
Hallo Nathalie,
vielen Dank für Deine lieben Worte. Mensch das freut mich, dass Deine Geburt so gut verlaufen ist und es so zackig ging, auch wenn der Krankenhausaufenthalt ätzend war. Aber Du hast wirklich recht, an all die unangenehmen Dinge erinner ich mich jetzt eh kaum mehr. Das ist gut so, denn das was man jetzt hat, ist so viel bedeutsamer fürs Leben, als die unangenehmen Momente in diesem Monat. Ich wünsche Dir mit Deinem Kind alles Gute!
Ganz liebe Grüße aus Guatemala,
Svenja
Hey Svenja,
Super spannend, deinen Geburtsbericht zu lesen! Ich habe im Januar Zwillinge in Deutschland geboren. Viele Unterschiede, die du vermutest würde ich nach deinen Beschreibungen auch sehen. Eingeleitet wird hier allerdings auch in vielen Krankenhäusern in der 38. Schwangerschaftswoche (gibt wohl eine Studie, die besagt, dass die Kinder in der Woche fitter sind als später). Bei mir wurde auf jeden Fall auch eingeleitet und nach knapp 38 Wochen kamen die Kinder.
Wahnsinn, wie anstrengend deine Geburt gewesen sein muss. Ich bin da genauso dran gegangen: eine natürlich Geburt wäre schön, aber wenn der Kaiserschnitt die beste Option ist, machen wir das.
Ich wünsche euch noch ganz viel Freude mit euren Kindern!
Hallo Du Liebe! Vielen Dank für Deine lieben Worte! Ja, so ´ne Zwillingsgeburt hat es schon in sich! 🙂 haha… herzlichen Glückwunsch zu Deinen beiden und alles Gute für Euch! Die Geburt ist ja nur der Start für viel Trouble 😂😜 Liebe Grüße aus Mexiko